Velofahren im Kanton Zürich ist etwas vom schönsten was es gibt. Der ganze Kanton ist mit Fahrradwegen vernetzt und erschlossen, so lassen sich auch längere Strecken bewältigen ohne das auf einer Strasse mit Autos gefahren werden muss. Dies ist insbesondere für Familien und Kinder sehr schön und vor allem auch sehr sicher.
Ganz anders sieht dies im Kanton Bern aus, da scheint man das Wort „Fahrradweg“ nicht zu kennen. Denn es gibt schlichtweg fast keine davon (das höchste aller Gefühle ist da, wenn es auf der Strasse einen Streifen eingezeichnet hat, das findet man aber fast nur in Städten vor).

Rund 90 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren verfügen über ein Fahrrad. Viele davon werden auch im Erwachsenenalter noch gerne mit dem Fahrrad unterwegs sein, da ist es doch nur bedenklich, dass es der Kanton Bern nicht für notwendig erachtet auch etwas für (die Sicherheit) von Fahrradfahrer zu tun.

Wenn man im Online-Portal der Berner Zeitung nach dem Wort „Radfahrer“ sucht, erhält man reihenweise Einträge von Velounfällen. Hier ein Paar Muster (diese Liste basiert auf einer schnellsuche, vollständigkeit schliessen wir aus):

Radfahrende von Autos angefahren (24.01.2012)
Fahrerflucht nach Unfall mit Velo (19.12.2011
Lieferwagen drängte Velofahrer ab (15.09.2011)
Von Bus erfasster Radfahrer ist noch auf der Unfallstelle verstorben (09.09.2011)
Radfahrer verletzt sich bei Sturz wegen Auto (30.08.2011)
Radfahrer stirbt nach Kollision mit Auto (16.08.2011)
Unfall nach einem Streit (Radfahrer und Autofahrer streiten während der Fahrt, 27.07.2011)
Schwerverletzter Radfahrer verstorben (19.07.2011)
Velofahrer nach Unfall verstorben (30.06.2011)
Radfahrer bei Kollision verletzt (05.05.2011)
Velofahrer stirbt nach Kollision mit Lastwagen (10.02.2011)

und so weiter und so fort, spätestens alle 2-3 Monate passiert im Kanton Bern ein schlimmer Unfall mit Velofahrer.
Nun besuchen wir das Online-Portal des Tages-Anzeiger (ebenbürtige Zeitung zur BernerZeitung mit Fokus auf Zürich) und starten die selbe Suche:

Velofahrer kollidiert mit Personenwagen (05.10.2011)
Radfahrer fährt in Rentner – beide schwer verletzt (18.04.2009)

mehr Meldungen zu Fahrradunfällen habe ich beim Tages-Anzeiger  nicht gefunden – Fällt Ihnen etwas auf ?
Sicherlich gibt es im Kanton Zürich mehr als nur alle 2 Jahre einen Fahrradunfall, aber eine solche Häufung wie es im Kanton Bern vorkommt, gibt es nicht.

Ich habe selbst mehrere Jahre im Kanton Bern gewohnt und bin da heute noch häufig mit dem Fahrrad unterwegs. Oft bin ich schockiert wie gefährlich Fahrradfahren im Kanton Bern ist und es keine Fahrradstreifen (und auch keine Ambitionen zum Bau solcher) gibt.
Da gibt es für mich leider nur ein Fazit:

Velofahrer sind im Kanton Bern nicht willkommen

und somit kommen wir zum eigentlichen Thema, warum ich diesen Artikel überhaupt verfasse.

Wie oben aufgezeigt, ist es im Kanton Bern nicht besonders schön, auf Strassen Fahrrad zu fahren. Da fährt man also am besten in den nächsten Wald. Das Fahrradfahren im Wald ist im Kanton Bern im Kantonalen Waldgesetz geregelt. Im Artikel 22 Absatz 2 steht klar geschrieben:

Reiten und Radfahren im Wald abseits von Wegen und besondersbezeichneten Pisten ist verboten

Das Reiten und Fahrradfahren gleichgestellt ist, scheint zwar sonderbar (Reiten verursacht im Gegensatz zum Fahrradfahren erhebliche Schäden an Wurzelwerk von Pflanzen), dennoch ist dieses Gesetz vollkommen ausreichend. Nun hat aber die Berner Volkswirtschaftsdirektion unter Leitung von Regierungsrat Andreas Rickenbacher eine Revision des Waldgesetz ausgearbeitet.
Diese Revision sieht vor, dass Mountain Biken künfig abseits von Waldstrassen illegal ist – unter Androhung einer Busse von bis zu 20’000 Franken.

Das neue Gesetz ist starker Tobak und wird von vielen Seiten kritisiert. Denn es verbietet quasi das Biken im Wald und dies erst noch unter einer realitätsfremden Strafandrohung. Ebenso ist es sonderbar, dass auch im revidierten Gesetz Radfahrer und Reiter gleichgestellt sind.
Als erstes haben natürlich die Berner Biker keine Freude daran, aber auch Vertreter von Tourismusregionen wie auch die Burgergemeinde Bern (als grösster Waldbesitzer im Raum Bern) haben keine Freude an diesem neuen Gesetz. So hält selbst der Berner Oberförster Franz Weibel den Gesetzesentwurf für untauglich, er sagte dazu:

«Der Ansatz, Biken grossflächig zu verbieten, ist fragwürdig.» Das neue Gesetz würde auch in Gebieten gelten, wo das Fahren abseits der Waldstrassen unproblematisch sei: «Ein solches Verbot würde gute, situationsbezogene Lösungen verhindern.» Es mache auch keinen Sinn, ein Gesetz zu schaffen, das nicht umsetzbar wäre: «Wer kontrolliert das Verbot? Förster bestimmt nicht – und die Polizei hat keine Zeit.»

In Bern gibt es mit dem Verein Trailnet eine Interessengemeinschaft welche sich für den Bikesport einsetz und welche auch Betreiber des Gurten-Trail, des Biel-Trail und des Dirtpark Schiesskanal ist.
Trailnet hat in einem offenen Brief seine Meinung kundgetan und setzt sich nicht nur gegen diesen Gesetzesentwurf ein, sondern möchte auch für die Zukunft Lösungen erarbeiten welche im Interesse aller Beteiligten sind.

Die Arbeit und das Engagement von Trailnet ist in vieler Hinsicht Lobenswert ((in Zürich streiten und bekriegen sich die Biker wegen eines neuen Bikeparks ja nur noch)).
So wenden die Macher von Trailnet Ihre gesamte Freizeit für dem „Kampf“ gegen den neuen Gesetzesentwurf auf, im Gegensatz zu den Vertretern des Volkswirtschaftsdepartements tun Sie dies unentgeltlich und aus reinem Interesse zum Wohle der Gemeinschaft. Es ist mehr als nur gut, dass es im Kanton Bern eine Interessen-Gemeinschaft für Biker gibt, denn ohne solch engagierte Leute würde der Bike-Sport wohl das nachsehen haben.

Es bleibt schlussendlich nur zu hoffen, dass die Mitglieder des Grossen Rats Ihren gesunden Menschenverstand, im Gegensatz zu den Volkswirtschafts-Mitarbeitern noch beisammen haben und diesen Gesetzesentwurf nicht annehmen werden.

 

Für alle denen beim Velofahren im Kanton Bern das Lachen vergangen ist, hier noch ein fast 100 jähriges Zeitdokument aus dem Jahr 1914: