Wir durften Dan Hennig kürzlich in seinem Trainingsraum in Zürich zum Interview treffen. Dabei hat er sehr offen über sein Leben als Profi BMX Flatlander geplaudert.

Dan wir befinden uns in deinem Trainingsraum in Zürich, wo du eine BMX Schule eröffnen willst, richtig?
Genau. Die BMX Schule soll diesen Sommer eröffnet werden.

Was hat dich dazu bewegt eine BMX Schule zu eröffnen?
Die Schule war immer schon ein Traum von mir. Als ich damals mit BMX angefangen habe, war ich oft alleine und hatte nicht die Möglichkeit jemanden nach Tipps zu fragen oder gemeinsam zu trainieren. Ich habe viele Leute mit dem Sport aufhören sehen, weil sie eben niemanden haben, der sie beraten und pushen kann. Das finde ich sehr schade, deshalb möchte ich daran etwas ändern. Der Einstieg und dann auch dranbleiben ist wohl das schwerste. Der Sport ist nicht einfach und verlangt dir viel ab, deshalb hilft es, wenn jemand an deiner Seite ist der dich unterstützt. Es geht dabei nicht nur um die Tricks, sondern alles rund ums Fahren: wo fange ich an, auf was muss ich achten, welches Bike und welches Zubehör sollte ich mir kaufen, etc.

In meiner Schule sind Männer und Frauen jeder Altersgruppe willkommen. Es werden Workshops zu fixen Zeiten angeboten, voraussichtlich 3 x pro Woche, es können aber auch Einzelstunden gebucht werden. Wer ein eigenes Bike hat kann das natürlich gerne mitbringen, für alle anderen habe ich aber genügend Bikes hier.

Nachwuchsförderung liegt mir sehr am Herzen. Dir wird in diesem Sport nichts geschenkt, wodurch viele wieder aufgeben. Ich kann das niemandem verübeln, wenn ich aber auch nur ein paar Kids dazu bringen kann weiterzumachen bin ich extrem glücklich.

Welchen Tipp würdest du einem Anfänger mit auf den Weg geben?
Dranbleiben und Diszipliniert sein.

Wie bist du selbst zum Flatland gekommen?
Ich hab mit 11 Jahren mein erstes BMX Bike von meiner Oma geschenkt bekommen und bin dann 1-2 Jahre gefahren bevor ich wieder aufgehört habe. Mit 12 Jahren hat’s mich richtig auf die Schnauze gepackt und ich hab erkannt, dass mir die Verletzungsgefahr zu gross ist. Ich gebe immer 100 % und wollte nicht riskieren irgendwann eine Verletzung zu haben, die mich zwingt mit dem Fahren aufzuhören. Deshalb hab ich auch nie mit Freestyle Mountainbike begonnen. Ich war und bin auch heute noch ein riesiger Fan von FMB, aber dort riskiert man extrem viel.

1999 hab ich bei Eurosport die X-Games gesehen. Das war das erste Mal, das ich gesehen hab, dass man mit einem BMX Rad auch Tricks auf dem Boden machen kann. Sofort war ich Feuer und Flamme dafür. Da hab ich zu mir gesagt: das ist es! Das sieht cool aus, ist anspruchsvoll, sehr elegant und es gibt keine Vorschriften. Klar, auch Flatland ist gefährlich, aber nicht so sehr wie Mountainbike.

Welche Verletzungen hast du bisher erlitten?
In meinen fast 20 Jahren als BMX Fahrer hatte ich glücklicherweise nur 3 grössere Verletzungen. Zweimal das Knie und einmal die Schulter.

Was war schlimmer?
Kann ich nicht sagen. Vom Schmerz her ist beides gleich schlimm. Beim Knie (2011) haben sie aber beim ersten Mal gepfuscht. Glücklicherweise bin ich dann zu einem Spezialisten gegangen. Dieser meinte zunächst, dass ich möglicherweise nie wieder fahren kann, es liege bei mir. Darauf entgegnete ich: selbst wenn sie mir mein Bein abnehmen müssten, würde ich hier mit einem Lächeln rausgehen, weil das nicht das Ende meiner Karriere wäre. Ich würde trotzdem einen Weg finden wieder auf mein Bike zu steigen. Das war dann zum Glück gar nicht nötig.

Ich hab mir wirklich Zeit gelassen die Verletzung verheilen zu lassen und bin fast ein Jahr zur Physiotherapie gegangen. Das war oftmals frustrierend. Dein Kopf sagt ja aber dein Körper nein. Ich musste echt an mir arbeiten um gelassen zu bleiben und meinem Körper die Zeit zu geben die er brauchte um sich zu erholen. Das gleiche gilt für meine Schulterverletzung 2015. Auch hier musste ich mir erst einen Spezialisten suchen und dann genau auf meinen Körper hören.
Ich hab mir die beiden Labrum-Bänder (Labrum glenoidale) gerissen, welche unteranderem für die Stabilisierung des Schultergelenks verantwortlich sind. Heute hab ich dort zwei Titan-Stifte drin, daran musste ich mich auch erst gewöhnen. Inzwischen spür ich aber nicht mehr, dass ich zwei Fremdkörper in der Schulter habe.

Beim Knie bin ich wieder bei ca. 98 % Leistung, bei der Schulter ca. bei 90 %. Schmerzen hab ich praktisch keine mehr. Das Knie spüre ich je nach Wetter noch, bei der Schulter gehe ich einmal pro Monat zur Massage.

Kommen wir zu einem weniger schmerzvollen Thema. Was gefällt dir am BMX Flatland am besten?
Die Freiheit. Mir schreibt keiner vor welche Tricks ich machen muss oder was ich anziehen soll. Ich kann tun und lassen was ich will mit meinem Bike. Flatland ist ausserdem ein wahnsinnig kreativer Sport, das Trickuniversum ist beinahe unendlich. Jeder Fahrer hat seinen eigenen Stil und Tricks die sonst keiner beherrscht. Das ist extrem faszinierend.

Hast du ein Vorbild?
Viki Gómez. Den hab ich 1999 im Fernsehen gesehen. Er hat einen unglaublich schönen Fahrstil und einen unglaublichen Flow. Das hat mich damals beeindruckt.

Heute hab ich meine eigenen Tricks, teilweise auch solche die Viki nicht beherrscht (Beispielsweise einen Halfcap Tailwhip). Wir sind Freunde geworden und respektieren einander für das was wir leisten.

Also hast du heute kein Vorbild mehr?
Nein nicht wirklich.

Woher holst du denn deine Inspiration?
Von meinen BMX Kollegen oder von anderen Freestyle Sportarten. Ich sehe die Zukunft von Flatland darin, alles zu mischen. Sprich, technische Tricks, Streetstyle, Sprünge sowie schnelles und kraftvolles Fahren. Das ist jedenfalls mein Ziel.

Du hast den Fahrstil vorher schon angesprochen. Der ist wirklich bei jedem unterschiedlich oder?
Ja genau. Klar gibt es Fahrer die einen sehr ähnlichen Stil haben. Wenn du mit dem Sport beginnst, orientierst du dich ja auch erstmal bei jemand anderem den du toll findest. Dadurch werden, wie bei anderen Sportarten auch, gewisse Tricks kopiert. Das ist ja auch völlig in Ordnung. Wichtig ist nur, seinen eigenen Stil zu finden und an eigenen Tricks zu arbeiten und nicht einen anderen Fahrer komplett zu kopieren. Man sollte sich von allen das abschauen was einem gefällt und auch selber kreativ werden und Tricks entwickeln. Heute ist das nicht mehr ganz so einfach, da das Niveau extrem gestiegen ist. Die Sportart selbst ich auch gewachsen, besonders die Szene in Japan.

Gibt es einen Unterschied zur Flatland Szene in der Schweiz und im Ausland?
Wir haben in der Schweiz kaum Nachwuchssportler. Das ist aber leider in den anderen Ländern auch der Fall, da der Sport noch nicht so populär ist. In Japan ist der Sport besonders ausgeprägt, die Kids dort beginnen teilweise schon mit 6 Jahren.

Generell würde ich aber sagen, dass der Sport in den ärmeren Ländern boomt.

Zurück zu dir. Gewinnen oder dabei sein ist alles?
Gewinnen steht bei mir nicht im Vordergrund. Kreativität und Individualität sind mir viel wichtiger. Einen eigenen, unverkennbaren Fahrstil zu haben den die Leute respektieren und bewundern ist das, was ich erreichen will. Ich bin glücklich, wenn ich selbst mit meiner Leistung zufrieden bin, einen guten Run hatte und unter den Top 10 lande.

Was hast du lieber, Contests oder Shows?
Kann ich so nicht sagen. Ich mag beides gerne und die Mischung ist auch wichtig.
Bei den Shows kannst du andere Leute inspirieren selbst mit BMX Flatland anzufangen. Ich geb nach den Shows immer gerne Tipps, wenn ich dann in glückliche Gesichter schauen kann ist das für mich das Grösste.

Bei Contests hast du zwar immer einen gewissen Druck. Mit der Zeit und der Erfahrung die du gewinnst, lernst du aber mit dem Druck umzugehen. Manchmal brauchst du den sogar um einen guten Run abzuliefern. Bei Contests lernst du auch, was du beim nächsten Mal besser machen kannst.

Hast du einen Lieblingsevent?
Die Bike Days in Solothurn sind sicherlich jedes Jahr ein Highlight. Aber auch Montreal, ein weiterer Stopp im World Circuit ist genial. Dort hast du nebst der Contest-Fläche auch eine Warm-up-Fläche. Wir werden ja meist in Gruppen eingeteilt und treten dann nacheinander an. Bist du nun der letzte in deiner Gruppe ist vom Warm-up nichts mehr da. Du kannst auch so fahren und abliefern, aufgewärmt ist aber immer besser.

Worauf freust du dich an den diesjährigen Bike Days am meisten?
Meine Freunde aus aller Welt wieder zu sehen. Das ist schon fast wie ein Familientreffen.

Was war das schrägste, was du in dem Sport je erlebt hast?
Schwierige Frage. Der Sport ist generell sehr schräg. Schräge Orte, schräge Leute, schräge Tricks.
Müsste nochmal drüber schlafen um ein spezielles Ereignis rauszupicken.

Was geht beim Bike am häufigsten kaputt?
Definitiv die Reifen. Die muss ich locker alle 2 Monate wechseln. Die Griffe oder der Sattel gehen aber auch häufig kaputt. Ich versuch so viel wie möglich selbst zu reparieren, lernt man über die Jahre hinweg auch. Ausserdem bin ich nicht der Typ, der dann einen Sponsor anruft und sich beispielsweise einen neuen Sattel schicken lässt, wenn ich den auch selbst reparieren kann.

Wenn wir schon beim Thema Sponsoren sind. Worauf achtest du bei der Auswahl deiner Sponsoren?
Sie müssen in erster Linie hinter mir und dem was ich tue stehen. Ich muss mich aber auch mit ihnen und ihren Produkten identifizieren können. Auf die Zwischenmenschliche Beziehung lege ich auch grossen Wert.

Inwiefern wirst du von ihnen unterstützt?
Finanziell. Teilweise auch mit Produkten oder neuen Fahrradteilen. Manchmal organisieren sie mir aber auch Shows die ich fahren kann.

Die grösste Unterstützung in meinem Leben war aber meine Oma. Sie war sozusagen mein erster Sponsor und hat mich seelisch und moralisch immer unterstützt.

Das ist natürlich toll. Kannst du das alles noch alleine managen?
Das hab ich lange gemacht. Ich mache heute noch viel selbst, hab aber zum grossen Glück auch viele Leute die mich unterstützen, beispielsweise mit meiner Webseite oder den Reisen zu den Contests. Ein grosses Dankeschön geht an dieser Stelle an meine Freundin Ramona.

Wie wirkt sich der Sport auf dein Privatleben aus?
Man lässt natürlich viel zurück als Profisportler. Freundschaften aber auch die Familie leidet teilweise darunter durch das viele Reisen und die Zeit die du ins Training investierst. Besonders zu Beginn musste ich viel Zeit ins Training investieren um dahin zu kommen wo ich jetzt bin (11. Platz auf der Weltrangliste), worauf ich auch sehr stolz bin. Der Sport hat mir aber sehr viel gegeben, deshalb bereue ich auch nichts. Und das ist ein weiterer Grund, die BMX Schule zu eröffnen, ich will etwas von dem zurückgeben, was mir der Sport in den letzten Jahren gegeben hat.

Kannst du vom BMX Fahren leben?
Prinzipiell ja. Ich will mir aber auch ab und zu etwas gönnen, beispielsweise ein schönes Auto oder eine neue Kamera. Ausserdem denke ich an die Zukunft, sprich später eine gute Rente zu haben. Daher habe ich immer wieder zwischen 80-100 % gearbeitet. Zurzeit liefere ich beispielweise für meinen Sponsor Vivi Kola Getränke aus.

Welchen Beruf hast du denn gelernt?
Ich bin gelernter Schlosser, hab aber mehrheitlich als Fachkraft in der Logistik gearbeitet.

Du kommst ja ursprünglich aus Deutschland. Was hat dich in die Schweiz gebracht?
Mein Job. Der hat mich zuerst nach Frauenfeld gebracht bevors für ein paar Jahre zurück nach Deutschland ging. Von Lörrach bin ich dann aber nach Zürich gekommen, wieder aus beruflichen Gründen. Zürich ist eine wundervolle Stadt und ich kann mir nicht mehr vorstellen hier wegzugehen.

Wo siehst du dich in 5-10 Jahren?
Sobald ich den Sport nicht mehr professionell machen kann, möchte ich meine Energie in meine BMX Schule investieren. Traumhaft wäre natürlich, wenn ich bis dahin 1-2 Kids trainiert hätte, die dann selbst Profis sind.

Dan, herzlichen Dank für deine Offenheit und die Zeit die du dir für uns genommen hast. Immer wieder schön mit dir zu plaudern. Wir freuen uns schon auf deine Runs an den Bike Days.

Steckbrief
Name: Dan Hennig
Alter: 35 Jahre
Herkunft: Deutschland
Wohnort: Zürich, Schweiz
Beruf: BMX Flatland Profi
Sponsoren: Vivi Kola, Sony Xperia, Flair Bmx Berlin

Mehr Informationen zu Dan Hennig unter: www.freestyle-bmx-shows.ch